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Donnerstag, den 28. Juni 2018 um 04:49 Uhr

Per Anhalter zum Einsatzort

Wie kann die vorzeitige Ausscheidung eines Wirkstoffs oder sein enzymatischer Abbau bei Therapien mit systemischer Wirkstoffverabreichung verhindert werden? Chinesische Wissenschaftler stellen jetzt eine Möglichkeit vor, wie das bei Lebermetastasen oder Dickdarmkrebs eingesetzte Therapeutikum Floxuridin für den systemischen Transport an natürliches Serumalbumin gekoppelt werden kann. In der Zeitschrift Angewandte Chemie beschreiben die Autoren die automatisierte Synthese des konjugierten Floxuridin-Polymers, dessen Anreicherung im Tumor und die Hemmung des Tumorwachstums.

Wie kommt ein Medikament an seinen Einsatzort? Trotz großer Erfolge bei der Entwicklung von Nanotransportern bleibt die Effizienz ein großes Problem, insbesondere in der Krebstherapie. Aggressive Wirkstoffe können während ihrer Verteilung im Blutkreislauf gesunde Zellen angreifen, oder sie werden ausgeschieden oder enzymatisch abgebaut, bevor sie in das Tumorgewebe gelangen. Weihong Tan und seine Kollegen von der Hunan University in China und der University of Florida (USA) haben jetzt normales Albumin, das natürlicherweise im Serum vorkommt, als mögliches sicheres Transportmittel identifiziert. Um zu erreichen, dass sich der antineoplastische Wirkstoff Floxuridin für den Transport an das Albumin anhängt, mussten die Forscher den Antimetaboliten fettgängig machen.

Floxuridin ist chemisch gesehen ein Nucleosid, also ein DNA-Bestandteil, an dessen Nucleobase Uracil ein Wasserstoffatom gegen ein Fluoratom ausgetauscht ist. Als Antimetabolit hemmt Floxuridin die Enzyme der DNA-Synthese. Wird Floxuridin zu einem Oligonucleotid polymerisiert, ist die Therapie noch wirkungsvoller. Die Zelle nimmt den Wirkstoff aktiv auf. Tans Team verband nun das aus 20 Floxuridin-Enheiten bestehende Oligonucleotid mit zwei hydrophoben Kohlenwasserstoffketten von jeweils 18 Kohlenstoffatomen Länge. Diese Modifikation war nötig, denn Albumin transportiert im Serum nur fettlösliche Moleküle wie Lipide und Cholesterin. Die negativ geladenen Oligonucleotide kann es so einfach nicht mitnehmen.

Das Lipid-konjugierte Floxuridin-Oligonucleotid LFU20 wurde an einem automatischen DNA-Synthesizer hergestellt. Die Wissenschaftler prüften anschließend, inwieweit LFU20 tatsächlich mit Albumin wechselwirkte, wie es in die Zelle aufgenommen wurde, und inwieweit der Transport zum Tumor funktionierte. Außerdem beobachteten sie das Tumorwachstum nach Zugabe des Wirkstoffs in einem Mausmodell mit implantiertem Tumor. Obwohl ein erheblicher Teil der Verbindung wieder ausgeschieden wurde, akkumulierte eine deutlich größere Menge im Tumorgewebe als bei der Kontrollgruppe, berichteten die Autoren. Die Akkumulation erfolgte durch den in der Krebsforschung bekannten „Enhanced-Permeability-and-Retention-Effekt“. In der Zelle gelangt der Wirkstoff dann in die Lysosomen, wo Enzyme den Antimetaboliten freisetzen.

Die Zugabe von LFU20 stoppte das Wachstum des Tumorgewebes, während das nicht modifizierte FU20 ohne Lipidanker die Proliferation deutlich weniger stark aufhalten konnte. Zu seinem Ziel war das LFU an das Albumin angehängt gelangt, wie per Anhalter auf einer Autobahn. Durch diese „Mitfahrer-Funktion“ konnten mehr Moleküle in den Zielzellen akkumulieren als ohne den Lipidanker. Die Autoren betonen, dass sich das Präparat durch automatisierte Synthese leicht und kostengünstig herstellen lässt; auch der Lipidanker wird problemlos mit dem 5‘-Terminus des Oligonucleotids verknüpft. Mitfahren lohnt sich im systemischen Wirkstofftransport.


Den Artikel finden Sie unter:

https://onlinelibrary.wiley.com/page/journal/15213757/homepage/press/201818press.html

Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (06/2018)


Publikation:
Angewandte Chemie: Presseinfo 18/2018
Autor: Weihong Tan, Department of Chemistry University of Florida (United States), https://tan.chem.ufl.edu/
Link zum Originalbeitrag: https://doi.org/10.1002/ange.201804156

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