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Dienstag, den 10. Dezember 2019 um 07:22 Uhr

Ent­de­ckung ei­nes un­ge­wöhn­li­chen Pro­te­ins

Wissenschaftler aus Bremen entdeckten ein ungewöhnliches Protein, das eine bedeutende Rolle im Stickstoffkreislauf der Erde spielt. Das neue Zytochrom, das eine Häm-Gruppe enthält, ist am Anammox-Prozess beteiligt: Dieser produziert rund die Hälfte des Stickstoffs der Atmosphäre und ist wichtig für die Regulierung von Treibhausgasen.

Stick­stoff ist ein we­sent­li­cher Be­stand­teil des Le­bens. Er wird zum Bei­spiel für die Her­stel­lung von Pro­te­inen be­nö­tigt.

Bo­ran Kar­tal, Lei­ter der Forschungsgruppe Mikrobielle Physiologie am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, un­ter­sucht Mi­kro­or­ga­nis­men, die die Ver­füg­bar­keit die­ser le­bens­wich­ti­gen Res­sour­ce für Pflan­zen und Tie­re be­ein­flus­sen.

Ein be­son­ders span­nen­der Teil des Stick­stoff-Kreis­laufs ist da­bei der so­ge­nann­te Anam­m­ox-Pro­zess. Anam­m­ox ist eine Ab­kür­zung und be­deu­tet an­ae­ro­be Am­mo­ni­um­oxi­da­ti­on. Durch die­sen Pro­zess wer­den Ni­trit oder Stick­oxid und Am­mo­ni­um di­rekt in mo­le­ku­la­ren Stick­stoff (N2) um­ge­wan­delt.

Kar­tal und sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ha­ben jetzt ein Pro­te­in ent­deckt, das am Anam­m­ox-Pro­zess be­tei­ligt ist und das ei­ni­ge Übe­ra­schun­gen birgt. Ihre Er­geb­nis­se er­schei­nen in der Novemberausgabe des Journal of Biological Chemistry.

Zu un­ge­wöhn­lich, um ent­deckt zu wer­den

Die­ses neu ent­deck­te Pro­te­in ist ein Zy­to­chrom, das Häm ent­hält. Es ist an der Um­wand­lung von Am­mo­ni­um und Stick­oxid in Hy­dra­zin be­tei­ligt ist. „Häm-Pro­te­ine sind ge­ne­rell sehr wich­tig für un­ser Le­ben, bei­spiels­wei­se das Hä­mo­glo­bin in un­se­rem Blut, das Sau­er­stoff trans­por­tiert. Häm-Struk­tu­ren glei­chen zu­meist ei­nem Spin­nen­netz mit ei­nem Ei­sen-Atom als Mit­tel­punkt. Ein Blick auf den Stamm­baum des Le­bens zeigt, dass die­ses Spin­nen­netz ei­gent­lich im­mer mit ei­ner Struk­tur aus fünf Ami­no­säu­ren an den Rest des Pro­te­ins ge­bun­den ist“, er­läu­tert Kar­tal. „Doch über­ra­schen­der­wei­se gilt das nicht für das Pro­te­in, das wir ent­deckt ha­ben. Die­ses hat näm­lich eine sehr un­ge­wöhn­li­che Struk­tur: Es formt die­ses Mus­ter mit nur vier Ami­no­säu­ren und wur­de des­halb bis­her über­se­hen.“

We­ni­ger Treib­haus­ga­se

Das neu ent­deck­te Pro­te­in steht im Mit­tel­punkt des sehr span­nen­den und be­deut­sa­men Anam­m­ox-Pro­zes­ses. Die hier­an be­tei­lig­ten Bak­te­ri­en wan­deln Ni­trit oder Stick­oxid (NO) und Am­mo­ni­um in un­schäd­li­chen, ele­men­ta­ren Stick­stoff (N2) um, wie Kartal kürzlich zeigte. Da­mit un­ter­schei­den sie sich klar von ei­ner Viel­zahl an­de­rer Mi­kro­or­ga­nis­men, die aus NO statt­des­sen das Treib­haus­gas Lach­gas (N2O) pro­du­zie­ren.

So ist je­des Mo­le­kül Stick­oxid, das nicht in Lach­gas, son­dern in ele­men­ta­ren Stick­stoff um­ge­wan­delt wird, ein Mo­le­kül we­ni­ger, das zum Kli­ma­wan­del bei­trägt. Anam­m­ox Bak­te­ri­en re­du­zie­ren folg­lich die Men­ge an ver­füg­ba­rem Stick­oxid für die Lach­gas-Pro­duk­ti­on und ver­rin­gern die Men­ge an frei­ge­setz­ten Treib­haus­ga­sen. 

Ein über­ra­schend ge­wöhn­li­ches Mus­ter

In An­be­tracht die­ser Re­le­vanz gin­gen Kar­tal und sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ei­nen Schritt wei­ter: Sie durch­fors­te­ten Da­ten­ban­ken, um her­aus­zu­fin­den, wie ver­brei­tet Pro­te­ine mit die­ser neu ent­deck­ten Struk­tur in der Na­tur sind. „Die­ses Mus­ter kommt be­mer­kens­wert oft vor“, sagt Kar­tal. Pro­te­ine mit der Vier-Amo­ni­säu­re-Struk­tur gibt es in vie­len un­ter­schied­li­chen Mi­kro­or­ga­nis­men quer durch die Welt der Bak­te­ri­en und der Ar­chaea. „Wir ha­ben es in vie­len ver­schie­de­nen mi­kro­bi­el­len Grup­pen ge­fun­den, etwa bei Bak­te­ri­en, die sich von Me­than er­näh­ren, und bei sol­chen, die Me­tal­le ab­bau­en“, so Kar­tal wei­ter.

Das gan­ze Po­ten­zi­al von Pro­te­inen mit der Vier-Ami­no­säu­re-Struk­tur ist noch gar nicht er­forscht. „In Anam­m­ox-Bak­te­ri­en steckt es in ei­nem Pro­te­in, das Elek­tro­nen hin- und her­be­wegt“, sagt Kar­tal. „In an­de­ren Or­ga­nis­men ver­leiht es dem Pro­te­in, in das es ein­ge­bun­den ist, mög­li­cher­wei­se ganz be­son­de­re Ei­gen­schaf­ten. Dies ist auf je­den Fall ein sehr span­nen­der An­satz für die wei­te­re For­schung.“ 


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.mpi-bremen.de/Page4233.html

Quelle: MPI für Marine Mikrobiologie (12/2019)


Publikation:
Chris­ti­na Fe­rou­si, Si­mon Lind­houd, Eric R. Hes­ter, Joa­chim Rei­mann, Frau­ke Bay­mann und Bo­ran Kar­tal: Discovery of a functional, contracted heme-binding motif within a multiheme cytochrome. The Journal of Biological Chemistry, Vol. 294, Issue 45, 16953-16965, November 8, 2019
DOI: 10.1074/jbc.RA119.010568

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