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Donnerstag, den 08. Oktober 2020 um 06:59 Uhr

An der Schwelle zum smarten Labor

Der digitale Wandlungsprozess schafft in den Laboren immer flexiblere und leistungsfähigere Umgebungen. Neue Analysetechniken steigern die Qualität der Untersuchungsergebnisse, zugleich fallen immer größere Datenmengen an, die verarbeitet und effizient genutzt werden müssen. Der Umgang mit „Big Data“ und „Künstlicher Intelligenz“ wirft aber auch viele Fragen auf. Diese Entwicklungen und Fragen standen im Mittelpunkt eines eintägigen Symposiums des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am 6. Oktober.

Bei dem erstmals virtuell per Livestream ausgerichteten Symposium stellten Experten von staatlichen und privaten Forschungs- und Untersuchungseinrichtungen sowie aus der IT-Wirtschaft den aktuellen Stand der Wissenschaft in der sich rasant verändernden digitalen Laborwelt vor und wagten einen Blick in die Zukunft.

Dass die Digitalisierung im Labor sehr viel mehr bedeutet als automatisierte Prozesse, Robotertechnik und digitale Auswertemöglichkeiten, hatte BVL-Präsident Friedel Cramer bereits in seiner Begrüßung herausgestellt: „Die digitale Transformation im Labor wirkt sich noch weitaus tiefgreifender aus. Die Komplexität der gewonnenen Daten, das Erfordernis von Referenzdatenbanken, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die Normung und die Veränderungen in der Arbeitswelt sind Themen, die in den Digitalisierungsprozess einfließen und beachtet werden müssen.“

Dr. Dr. Markus Schick, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), betonte in seinem Grußwort, dass die Digitalisierung keine Option sei, sondern für den globalisierten Wettbewerb unverzichtbar. Das BMEL habe seit dem Jahr 2018 die Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung noch einmal deutlich intensiviert. Auch in den Laboren wachse der Umfang der Datenmengen rasant an und sie müssten vernetzt werden. Er sei deshalb dankbar, dass das BVL sich bei dem Symposium mit dieser Thematik beschäftige.

Neue Analysetechniken produzieren größere Datenmengen

Um die enormen Potenziale neuer Analysetechniken ging es im ersten Themenblock des Symposiums. Die hochauflösende Massenspektrometrie (HRMS) zur Proteinbestimmung ist eine dieser Techniken. Eine andere ist der Einsatz von Kernresonanzspektroskopie (NMR), die gerade bei der Überprüfung der Authentizität von Lebensmitteln genaue Ergebnisse liefere, wie Prof. Dr. Thomas Kuballa vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe erläuterte. Mit Hilfe des hierbei gewonnenen chemischen Fingerabdrucks würden derart viele Informationen vom untersuchten Objekt erfasst, dass die Manipulation von Lebensmitteln erschwert werde.

Eine andere Analysetechnik ist Metabolomics. Sie habe sich in den vergangenen Jahren zu einer Schlüsseltechnologie in der Ernährungswissenschaft entwickelt, verdeutlichte Prof. Dr. Sabine E. Kulling vom Max Rubner-Institut (MRI). Metabolomics liefert erstmals eine umfassende quantitative Beschreibung von Lebensmitteln. Bisher nicht bekannte Unterschiede zwischen verschiedenen Proben können erkannt werden. Dies eröffnet viele Möglichkeiten, etwa um ganz spezifische Umwelteinflüsse in Lebensmitteln nachzuweisen.

Analysetechniken werden nicht nur komplexer, sie produzieren auch immer größere Datenmengen. Dies stellt neue Herausforderungen an die Datenspeicherung, den Datentransport, die Archivierung sowie an Auswertetools. Herkömmliche Softwareprogramme zur Auswertung, zum Beispiel von massenspektrometrischen oder Sequenzierungsdaten, von mikrobiologischen Plattenverfahren, werden durch komplexere Untersuchungs- bzw. Auswerteverfahren abgelöst. Datenbanken müssen miteinander vernetzt werden, um die dort hinterlegten Referenzen vergleichen zu können. Welche Erfahrungen und Möglichkeiten es hierfür gibt, stellten Experten beim Thema Management großer Datenmengen dar.

Dabei wurde auch die Frage diskutiert, wieviel „Blackbox“ darf sein und welche Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten müssen dem Menschen erhalten bleiben? Welche Aufgaben kann und darf Künstliche Intelligenz (KI) übernehmen? KI ist ein Werkzeug ¬– die Entscheidung letztendlich sollte immer noch beim Menschen liegen, war ein Ergebnis des Expertenaustauschs.

Untersuchungsverfahren müssen validiert werden

Gewonnene Daten müssen zuverlässig, präzise und genau sein. Dies sind die gesetzlichen und normativen Vorgaben, die Untersuchungsverfahren in der Lebensmittelkontrolle einhalten müssen. Aber wie lässt sich dies realisieren mit Softwareprodukten für die Datenauswertung, die sich manchmal auf Referenzen aus Datenbanken beziehen, deren Inhalte dem Anwender nicht bekannt sind? Oder wie sieht es beim Einsatz selbstlernender Künstlicher Intelligenz aus? Fragen, die in einem weiteren Themenblock des Symposiums behandelt wurden.

Dabei wurde klar: Es müssen Validierungsstrategien entwickelt werden, die es erlauben, die tatsächliche Leistungsfähigkeit solcher Untersuchungsverfahren zu ermitteln. Derart validierte Verfahren könnten dann auch in der Standardisierung und Normung genutzt werden. Erste Konzepte und Ideen sowie Vorgehensweisen in der Normung für nationale und internationale Normungsprojekte wurden vorgestellt. So berichtete Filiz Elmas vom Deutschen Institut für Normung (DIN) von der Erstellung einer Roadmap zu Normen und Standards im Bereich Künstliche Intelligenz.

Das smarte Labor 4.0

Die digitale Transformation findet auch im Laboralltag selbst statt. In einem Labor 4.0 sind sämtliche Abläufe idealerweise digitalisiert und aufeinander abgestimmt. So sind manuelle Arbeitsschritte, Sensoren, Analysengeräte, IT-Systeme und riesige Mengen an Daten miteinander über intelligente IT-Managementsysteme vernetzt und eröffnen Chancen wie Herausforderungen. Im Hinblick auf neue Trends wie Internet of Things und Big Data müssen im Labor verschiedene Prozesse und Strukturen zusammengeführt und angepasst werden. Robotiksysteme übernehmen viele Routinetätigkeiten.

Wie ein künftiges smartes Labor aussehen könnte, demonstrierte Dr. Sascha Beutel von der Leibnitz Universität Hannover. Seine Arbeitsgruppe hat als Prototyp ein smartLAB entwickelt, im dem standardisierte Abläufe vollständig digital unterstützt und bearbeitet werden. Datenbrille, Touchbeamer und Sprachsteuerungssysteme gehören zur Ausstattung eines solchen Zukunftslabors.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/09_untersuchungen/2020/2020_10_07_PI_Symposium.html

Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) (10/2020)

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