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Freitag, den 18. März 2022 um 04:28 Uhr

Rasante Zellbewegung im 3D-Tumormodell: Phänomen bei der Krebsmetastasierung

Biologische Prozesse wie die Wundheilung aber auch das Eindringen von Krebszellen in noch unbefallenes Gewebe beruhen auf der kollektiven und koordinierten Bewegung von lebenden Zellen. Ein wenig verstandener Aspekt, der diese Prozesse beeinflusst, sind die Druckunterschiede innerhalb und zwischen verschiedenen Teilen des Körpers. Forscherinnen und Forscher der Universität Göttingen und der Universität Münster haben Modell-Tumorsysteme entwickelt, bei denen Gebärmutterhalskrebszellen in eine Kollagenmatrix eingebracht wurden.

Nach dem Einbetten der Modelltumore in diese weiche Matrix führte ein erhöhter Druck zu einem plötzlichen Ausbruch schneller und koordinierter zellulärer Bewegungen, wobei Krebszellen aus dem Tumor regelrecht nach außen schossen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Advanced Science erschienen.

Das Team entwarf sein Modellsystem mit Klumpen von Gebärmutterhalskrebszellen in einfachen biomimetischen Geweben. Normalerweise üben einzelne Zellen Kräfte auf ihre Umgebung aus, um sich zu bewegen. Die kollektive Bewegung wird durch Kräfte von Zelle zu Zelle koordiniert, weil diese zusammenkleben und verklumpen. Das neue Modell ermöglichte es den Forscherinnen und Forschern jedoch, andere Mechanismen zu messen, welche die Zellbewegung antreiben, wie etwa Druckunterschiede zwischen verschiedenen Regionen im Körper.

Mit Hilfe bildgebender Verfahren konnten sie die Verformung des Tumors bis auf die Ebene einzelner Zellen verfolgen. Sie entdeckten, dass die weiche Matrix eine Zellschwellung auslöst, welche zu einem erhöhten Druck im Tumor führt. Dieser Druckt treibt die beobachtete, koordinierte Bewegung der Zellen an, wobei diese unabhängig von der Zell-zu-Zell-Verbindung entsteht. Acht Stunden, nachdem die Klumpen von Gebärmutterhalskrebszellen in eine weiche Kollagenmatrix eingebettet wurden, brachen sie in einem plötzlichen, schnellen Strom von Krebszellen aus. Überraschend ist, dass die Zellen hier einen flüssigkeitsähnlichen Schubmechanismus nutzen, wodurch sie sehr schnell sind und sich ganz plötzlich ausbreiten – als würde Wasser aus einem Schlauch spritzen, wenn man mit dem Daumen darüberfährt. Der schnelle Ausbruch tötete zwar etwa 80 Prozent der Zellen ab, überraschenderweise gelang es den verbleibenden Zellen, sich in den folgenden vier Tagen in der gleichen Umgebung einzubetten und zu vermehren. „Diese Erkenntnis ist wichtig, denn wenn dies im Körper eines Menschen geschieht, kann es sich als äußerst gefährlich erweisen. Die derzeitigen Krebsbehandlungen könnten dann nicht ausreichend wirken“, erklärt Prof. Dr. Timo Betz, Institut für Biophysik der Universität Göttingen.

Tumormodelle, die in ein steiferes Kollagen eingebettet waren, verhielten sich anders. Selbst nach sieben Tagen gab es keine Ausbrüche, was zeigt, dass der Druckunterschied im Gewebe der entscheidende Faktor für den Effekt ist. Die Forschenden konnten das „Aufplatzen der Tumore“ in steiferem Kollagen nur auslösen, wenn sie Schwachstellen in bestimmten Bereichen einbauten.

Bei dem neu beobachteten Phänomen erhöhte das gruppenweise Anschwellen der Zellen den Eigendruck, der die Krebszellen in weniger widerstandsfähige Bereiche der Matrix vordrängte. „Solche druckbedingten Effekte können Primärtumoren im Körper einen außergewöhnlichen Vorteil verschaffen: Sie können die erste Membranbarriere durchbrechen und haben so die Möglichkeit, sich in andere Teile des Körpers auszubreiten oder zu metastasieren“, sagt Betz.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=6620

Quelle: Georg-August-Universität Göttingen (03/2022)


Publikation:
Raghuraman, S. et al. “Pressure Drives Rapid Burst‐Like Coordinated Cellular Motion from 3D Cancer Ag-gregates” Advanced Science (2022) DOI:10.1002/advs.202104808 Text also available at: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/advs.202104808

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