Eine neue Röntgenstudie bietet bislang unerreichte Möglichkeiten zur Analyse von Katalysatoren und anderer Materialien mit einer stark von Poren geprägten Struktur. Die Arbeit markiert damit einen wichtigen Schritt hin zu maßgeschneiderten porösen Materialien und kann damit zur Einsparung von Emissionen und Rohstoffen in einer nachhaltigeren Chemie beitragen, wie das Team um Thomas Sheppard vom Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) im Fachblatt „Advanced Science“ berichten. An der Studie sind Forscherinnen und Forscher vom Paul Scherrer Institut in der Schweiz, vom Forschungszentrum MAX IV in Schweden, von den Universitäten Hamburg und Leipzig, vom KIT und von DESY beteiligt.
Poröse Materialen haben vielfältige technische Anwendungen und sind auch
in der Natur weit verbreitet. Die dreidimensionale Porenstruktur dieser
Materialen kann man sich dabei wie einen Schwamm vorstellen. Das
Porensystem bestimmt maßgeblich die physikalischen Eigenschaften des
Materials und ermöglicht eine große Oberfläche, auf der sich Stoffe
anlagern (Adsorption) und chemische Reaktionen stattfinden können. So
haben beispielsweiße einige technische Katalysatoren oder
Adsorptionsmaterialen in einem Gramm eine Oberfläche, die der Fläche
eines Fußballfeldes entspricht.
Neben der großen Oberfläche
spielen auch der Porendurchmesser und die Verbindung der einzelnen Poren
untereinander zu einem größeren Porennetzwerk eine entscheidende Rolle
für die physikalisch-chemischen Eigenschaften, insbesondere für den
Transport von Molekülen innerhalb des Porensystems, was man als
Stofftransport bezeichnet. Die Stofftransporteigenschaften eines
Katalysators sind entscheidend für seine Leistungsfähigkeit und ein
wichtiger Designparameter auf der Suche nach besseren
Katalysatormaterialien, vor allem im industriellen Hinblick. Da der
Großteil aller industriellen chemischen Prozesse an einem gewissen Punkt
in Kontakt mit einem Katalysator kommt, haben schon kleine Verbesserung
der Effizienz einen großen Einfluss auf beispielsweise die benötigte
Prozessenergie und damit verbundene Emissionen von Treibhausgasen oder
unerwünschten Nebenprodukten. Somit kann die Optimierung der
Porenstruktur einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigeren chemischen
Prozessen leisten.
Die Herstellung von Materialien mit
angepassten Porenstrukturen erfordert jedoch häufig komplexe
Synthesemethoden, die oft auf Erfahrungen beruhen und nicht im Detail
verstanden sind. Ob und wie sich die Porenstruktur während des Betriebs
ändert, lässt sich zudem meist nur durch einen Vorher-Nachher-Vergleich
bestimmen, aber nicht live im laufenden Betrieb verfolgen. Das wäre
jedoch wichtig, um das Porensystem zu optimieren.
Hier kommen
Röntgenquellen wie PETRA III bei DESY ins Spiel: Mit moderner
Röntgenmikroskopie lassen sich komplexe Porenstrukturen untersuchen, die
typischerweise in Längenskalen von Nanometern (nm, millionstel
Millimeter) bis Mikrometern (µm, tausendstel Millimeter) vorliegen. Eine
dieser modernen Methoden nennt sich Röntgen-Ptychographie und kann
sowohl in 2D als Röntgen-Nanomikroskopie oder in 3D als
Röntgen-Nanotomographie an Synchrotron-Strahlenquellen wie PETRA III
durchgeführt werden. Die Röntgen-Ptychographie zeichnet sich durch eine
hohe Auflösung aus und kann noch 50 nm kleine Details bei
Probendurchmessern von rund 50 µm erkennen. Zusätzlich dazu kann sie in
der tomographischen Anwendung eine quantitative 3D-Abbildung der
Elektronendichte einer Probe liefern.
Diese Technik wurde nun
verwendet um die Veränderung der Porenstruktur eines Katalysators
während der sogenannten Kalzinierung zu untersuchen. Die Kalzinierung
ist typischerweise der abschließende Schritt in der Herstellung poröser
Materialien. Dazu wurden zunächst zusammen mit Forscherinnen und
Forschern bei DESY das Katalysatormaterial per
2D-Röntgen-Nanomikroskopie untersucht. Dabei wurde ein Nanoreaktor
verwendet, in welchem die Temperatur und Gasatmosphäre genau
kontrolliert werden können. In diesen Versuchen ließ sich die Änderung
des Katalysators von Raumtemperatur bis 800 Grad Celsius bei verschieden
Gasbedingungen nahezu in Echtzeit verfolgen. Die
2D-Röntgen-Nanomikroskopie zeigt Änderungen der Oberflächenform
(Morphologie). Da das Porensystem und die Probe allerdings eine 3D
Struktur haben, können die Änderungen nur eingeschränkt in 2D
Abbildungen quantifiziert werden.
Für die Quantifizierung wurden
daher ergänzende Röntgen-Nanotomographie-Messungen zusammen mit
Forscherinnen und Forschern des Paul Scherrer Instituts (PSI) in der
Schweiz durchgeführt. Dabei wurden identische Partikel des Katalysators
vor und nach der Kalzinierung untersucht. Diese Tomogramme dienten dazu,
die Porenstruktur der Katalysatoren zu beschreiben und die zuvor
bereits beobachteten Änderungen daran zu quantifizieren. Die aus der
Analyse der Tomogramme erhaltenen Informationen können direkt für
komplexe Modellierungen des Stofftransports verwendet werden. Dies ist
eine wichtige Basis, um die Porenstruktur solcher Materialien zu
optimieren.
Zusammen ermöglichen die verwendeten Verfahren ein
viel detaillierteres Verständnis der Evolution von Porenstrukturen als
bisher. Dies ist besonders für die Entwicklung neuer Katalysatoren in
der chemischen Industrie interessant, aber auch im Bereich von
Adsorptionsmaterialien, Membranen, Isolationsmaterialien oder Batterien
sind solche detaillierten Informationen über die 3D-Struktur
entscheiden.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.desy.de/aktuelles/news_suche/index_ger.html?openDirectAnchor=2268&two_columns=1
Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY (04/2022)
Publikation:
Evolution
of Hierarchically Porous Nickel Alumina Catalysts Studied by X-ray
Ptychography; Sebastian Weber, Ana Diaz, Mirko Holler, Andreas Schropp,
Mikhail Lyubomirskiy, Ken L. Abel, Maik Kahnt, Arno Jeromin, Satishkumar
Kulkarni, Thomas F. Keller, Roger Gläser, Thomas L. Sheppard; „Advanced
Science“, 2022; DOI: 10.1002/advs.202105432