Die Steuerung von elektrischen Signalen mithilfe einzelner Moleküle ermöglicht die Miniaturisierung von Transistoren in integrierten Schaltkreisen bis auf die atomare Ebene. Dieses Forschungsgebiet der molekularen Elektronik ebnet nicht nur den Weg für die nächste Generation von ultra-leistungsfähigen Computern, sondern auch für ganz neue elektronische Systeme und Methoden. Die kooperierenden Forschungsgruppen der Jacobs University Bremen und der chinesischen Wuhan University of Science and Technology haben nun eine Methode zur Messung der Leitfähigkeit einzelner pharmazeutischer und biologischer Moleküle entwickelt.
In der molekularen Elektronik werden
einzelne Moleküle zwischen zwei Elektroden zu einer elektrisch leitenden
Verbindung gespannt, in der dann die molekulare Leitfähigkeit vermessen
wird. Obwohl die zugrunde liegende Methode für dieses Phänomen, die
Rastertunnelmikroskopie, bereits vor mehr als dreißig Jahren mit dem
Nobelpreis bedacht wurde, ist eine große Einschränkung geblieben: Um
Zugang zur molekularen Leitfähigkeit zu erhalten, mussten die zu
vermessenden Moleküle permanent an die anorganischen Goldelektroden
angebracht werden, meist über Schwefelbrücken.
„Wir haben die
beiden Elektroden so modifiziert, dass wir nicht nur die molekulare
Leitfähigkeit eines Einzelmoleküls bestimmen können. Sondern wir sind
jetzt in der Lage, die Verbindungen nach Belieben auszutauschen, um die
Leitfähigkeiten von vielen verschiedenen Molekülen nacheinander zu
messen“, sagt Dr. Werner Nau, Professor für Chemie an der Bremer Jacobs
University. Seine Arbeitsgruppe widmet sich der Entwicklung neuer
physikalisch-chemischer Methoden und fortschrittlicher
Hybridverbindungen für die Lebens- und Materialwissenschaften.
In
der neuen elektronischen Messanordnung werden beide Elektroden mit
organischen makrozyklischen Rezeptoren modifiziert (siehe Abbildung), so
dass sich gelöste Moleküle an die Verbindungsstelle anlagern und auch
wieder ablösen können. Dies ist vergleichbar mit Steckverbindungen in
der Elektrotechnik. Sie erlauben es, elektrische Elemente auszutauschen,
etwa um defekte Komponenten zu ersetzen oder solche mit anderen
Eigenschaften einzubauen. „Vereinfacht gesagt ist es uns gelungen,
elektrische Steckverbindungen auf der Ebene von Einzelmolekülen
einzuführen. Wir verwenden jetzt supramolekulare anstelle von kovalenten
Bindungen an der leitenden Stelle. So werden ganz neue dynamische
Messungen und Effekte möglich“, sagt Dr. Suhang He, eine der
Erstautor:innen der Publikation und Postdoktorandin an der Jacobs
University. Der zusätzliche Vorteil dieses Ansatzes ist, dass native,
unveränderte Moleküle untersucht werden können, die invasive Einbringung
von Schwefelgruppen ist also nicht mehr erforderlich.
In ihrer
ersten Studie wendet das deutsch-chinesische Team die neu entdeckten
supramolekularen elektrischen Verbindungen in der Biosensorik an, unter
anderem für das Aufspüren von biologisch relevanten Verbindungen wie
Camptothecin, einem Medikament für die Chemotherapie. Durch Messung der
Veränderung der elektrischen Leitfähigkeit konnte es zum Beispiel
zeigen, wie einzelne Wirkstoffmoleküle in den neuen elektrischen
Verbindungsstellen protoniert und deprotoniert werden. In Physik und
Technik hat die neue molekularelektronische Methode Potential für
fortschrittliche molekulare Computeranwendungen. Denn sie zeigt, wie die
unterschiedlichen Eigenschaften molekularer Leiter rasch vermessen und
getestet werden können.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.jacobs-university.de/news/forschende-der-jacobs-university-entwickeln-neue-messmethode-der-molekular-elektronik
Quelle: Jacobs University Bremen (05/2022)
Publikation:
Dynamic
Interconversions of Single Molecules Probed by Recognition Tunneling at
Cucurbit[7]uril-Functionalized Supramolecular Junctions
https://doi.org/10.1002/anie.202203830
Dienstag, den 24. Mai 2022 um 04:58 Uhr