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Mittwoch, den 07. April 2010 um 02:42 Uhr

Fünfhundert Gene dirigieren den Takt des Herzens

Ein internationales Forscherteam um IMBA-Direktor Josef Penninger identifizierte sämtliche Gene, die an der Regulation der Herzfunktion beteiligt sind. Dieses Wissen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung dringend benötigter Herzmedi-kamente. Die aktuelle Ausgabe des Journals Cell widmet den neuen Erkenntnissen eine Titelgeschichte.
Pro Jahr sterben rund 15 000 Österreicher am plötzlichen Herztod. Ohne spürbare vorangegangene Warnzeichen hört ihr Herz auf zu schlagen, nicht selten trifft es scheinbar gesunde, junge Menschen. Ursache ist immer eine Vorerkrankung des Herzens, die aber nicht immer bemerkt wird. Dazu kommt als Auslöser eine Stress-situation - zum Beispiel sportliche Betätigung - die zu einer Rhythmusstörung führt.

Mediziner suchen seit langem nach erkennbaren Risikofaktoren, die Menschen für solche tödlichen Rhythmusstörungen anfällig machen. In jüngster Zeit konnten Mole-kularbiologen wertvolle Hinweise liefern: immer wieder fanden sie Gene, die wesentlich an der Herzfunktion beteiligt sind und bei Erkrankungen eine Rolle spielen.

Eine Landkarte der Herzfunktion

Josef Penninger und sein Postdoktorand Greg Neely am Institut für Molekulare Bio-technologie der Akademie der Wissenschaften (IMBA) gingen die Suche systematisch an. Gemeinsam mit Forschern aus den USA, Kanada, Japan, Indien, Italien und Deutschland erarbeiteten sie eine "Landkarte" aller an der Herzfunktion beteiligten Gene und ihrer Wechselwirkungen. Die Karte, die an das Streckennetz einer Fluggesellschaft erinnert, ist ein Datenschatz für Herzspezialisten. "Die Information, die uns nun zur Verfügung steht, wird in zahlreiche weitere Forschungsprojekte einfließen und gibt uns Hinweise, wo wir in Zukunft mit Medikamenten ansetzen könnten", meint Neely. Die riesige Rechnerleistung, die zu ihrer Erstellung nötig war, lieferte ein Bioinformatik-Team in Bangalore.

Um an die Gene heranzukommen, bedienten sich die Forscher der hauseigenen Taufliegen-Sammlung VDRC (Vienna Drosophila Research Center). Gemeinsam mit dem kalifornischen Fliegen-Herzspezialisten Rolf Bodmer (Sanford-Burnham Medical Research Institute, La Jolla) konnten sie 500 Gene identifizieren, die für das einwand¬freie Funktionieren des Fliegenherzens notwendig sind. Wird eines dieser Gene blockiert, so droht dem Tier bei Stress ein schneller Herztod.

Von den gefundenen Herz-Genen war bisher nur etwa ein Drittel bekannt. Eines der neu identifizierten Gene, NOT-3, wurde von den Forschern genauer unter die Lupe genom-men. Blockiert man es, so entwickeln die Fliegen schwere Herzrhythmusstörungen und erweiterte Herzkammern. Beim Menschen ist dieses Krankheitsbild als "dilatative Kardiomyopathie" bekannt und kann in seltenen Fällen vererbt werden.

Von Fliegen über Mäuse zum Menschen

Josef Penningers früherer Mitarbeiter Keiji Kuba (Akita University, Japan) konnte die an Fliegen gewonnenen Erkenntnisse auch für Wirbeltiere bestätigen. Blockiert man NOT-3 bei Mäusen, so kommt es ebenfalls zu krankhaften Veränderungen des Herzens und zu Herzstillstand bei Stress.

Die eindeutigen Versuchsergebnisse führten die Forscher bald zu der Frage, ob ein ähnlicher Mechanismus auch beim Menschen wirksam ist. Gemeinsam mit Andrew Hicks und Peter P. Pramstaller vom EURAC-Institut für Genetische Medizin in Bozen, Italien, und Arne Pfeufer vom Institut für Humangenetik am Helmholtz Zentrum in München, alle Teil des QTSCD Konsortiums (QT Interval and Sudden Cardiac Death), gelang der Beweis: Veränderungen in der NOT3-Region korrelieren auch beim Men-schen mit einer erhöhten Anfälligkeit für Herzprobleme. Patienten mit dieser Veranla¬gung weisen im EKG ein verlängertes QT-Intervall auf. Sie spüren davon nichts, doch bei körperlicher Belastung kann es zu tödlichen Arrhythmien kommen.

Obwohl der Kreislauf bei Fliegen anders funktioniert als beim Menschen sind die Gene, die die Herzfunktion steuern, im Lauf der Evolution also kaum verändert worden. Als Studienobjekte sind Fliegen nahezu unschlagbar. "Unsere Arbeit mit Drosophila hat gezeigt, dass wir auf diese Weise krankheitsrelevante Gene finden können, die wir bei der Untersuchung an Menschen niemals entdeckt hätten", so Josef Penninger.

Hunderte Kandidaten-Gene warten nun darauf, auf ihre Beteiligung an Herzerkran-kungen überprüft zu werden. In diese Arbeit wird noch viel Forscher-Herzblut fließen.

Den Artikel finden Sie unter:

http://www.imba.oeaw.ac.at/fileadmin/imba/Documents/Press_Releases/2010/Pressetext-100401-Herzgene.pdf

Quelle: IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften GmbH (04/2010)

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