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Donnerstag, den 05. Oktober 2023 um 04:27 Uhr

Neue Ammoniakreaktion könnte nachhaltige Stickstoffquelle ermöglichen

Ein großes Ziel der Chemie ist es, auf einfachem Weg Amine aus Ammoniak und ungesättigten Kohlenwasserstoffen zu erzeugen. Während der katalytischen Addition, bei der Ammoniak aktiviert und anschließend übertragen wird, entsteht zudem kein Abfall und so ist sie besonders nachhaltig. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind dem Ziel nun ein Stück nähergekommen. Sie haben ein System zur Aktivierung und katalytischen Übertragung von Ammoniak entwickelt, das nicht auf Übergangsmetallen, sondern auf einer Verbindung aus Hauptgruppenelementen basiert.

Das Molekül Ammoniak (NH3), eine Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff, ist eine der meistproduzierten Chemikalien weltweit und bildet den Ausgangsstoff für die Herstellung vieler weiterer stickstoffhaltiger Verbindungen. Wenn es gelänge, durch Addition von Ammoniak an ungesättigte Kohlenwasserstoffe auf einfachem Weg Amine zu erzeugen, wäre der Chemie ein entscheidender Durchbruch gelungen. Denn Amine, organische Derivate von Ammoniak, sind in vielen verschiedenen Bereichen gefragt: Sie dienen beispielsweise als Bausteine für Agro- und Pharmachemikalien sowie für waschaktive Substanzen, Farbstoffe, Schmierstoffe und Beschichtungen. Als Katalysatoren werden Amine auch bei der Produktion von Polyurethanen eingesetzt. Eine weitere wichtige Anwendung ist die Gaswäsche in Raffinerien und Kraftwerken.

Durch das Brechen der starken Bindung zwischen Stickstoff und Wasserstoff, die sogenannte Aktivierung, kann das Ammoniakmolekül zumindest theoretisch auf andere Moleküle wie ungesättigte Kohlenwasserstoffe übertragen werden. So würde beispielsweise bei der Übertragung von Ammoniak auf das Alken Ethylen, einem wichtigen Stoff in der chemischen Industrie, Ethylamin entstehen. Chemiker bezeichnen diese Addition als Hydroaminierung. Allerdings reagieren Ammoniak und Ethylen nicht einfach so miteinander – ein Katalysator muss die Reaktion vermitteln. Die üblichen und auf Übergangsmetallen basierenden Katalysatoren haben jedoch den Nachteil, dass sie selbst mit Ammoniak reagieren und dadurch inaktiv werden. „Die Hydroaminierung von nicht aktivierten Alkenen mit Ammoniak gilt daher als große Herausforderung, sozusagen als Heiliger Gral der Katalyse“, erklärt Professor Frank Breher, Forschungsgruppenleiter der Abteilung Molekülchemie am Institut für Anorganische Chemie (AOC) des KIT.

Aktivierung und katalytische Übertragung von Ammoniak

Professor Frank Breher und Dr. Felix Krämer vom AOC des KIT, unterstützt von Forschenden der Universität Paderborn und der Universität Complutense Madrid, sind dem herausfordernden Ziel nun ein großes Stück nähergekommen. „Wir haben ein System zur Aktivierung von Ammoniak entwickelt, das nicht auf Übergangsmetallen basiert, sondern auf Hauptgruppenelementen. Beim ,atomökonomischen‘ Prozess der Aktivierung und bei der anschließenden Übertragung von Ammoniak wird kein Abfall erzeugt – dies ist unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit natürlich besonders interessant“, so Breher. Über ihre Arbeit berichten die Forschenden nun in der Zeitschrift Nature Chemistry.

Das Team erzeugte ein sogenanntes frustriertes Lewis-Paar (FLP), bestehend aus einer Säure als Elektronenpaarakzeptor und einer Base als Elektronenpaardonor. Beide reagieren üblicherweise miteinander und erzeugen ein Addukt. Wird die Adduktbildung verhindert oder zumindest eingeschränkt, ergibt sich sozusagen eine frustrierte Situation und das Molekül reagiert bereitwillig mit kleinen Molekülen wie beispielsweise Ammoniak. „Entscheidend ist dabei aber, die Reaktivität so zu dämpfen, dass die Reaktion mit kleinen Molekülen möglichst reversibel ist, denn nur dann ist es möglich, ein solches FLP auch in der Katalyse einzusetzen. Dies ist uns erstmals mit Ammoniak als Substrat gelungen“, berichtet Breher. Die Forschenden zeigten, dass die Titelverbindung leicht mit nichtwässrigem Ammoniak thermoneutral reagiert und die Stickstoff-Wasserstoff-Bindung von Ammoniak bei Raumtemperatur reversibel spaltet. Darüber hinaus stellen sie in ihrer Veröffentlichung erstmals NH3-Übertragungsreaktionen vor, die durch einen auf Hauptgruppenelementen basierenden Katalysator vermittelt werden. „Zwar haben wir bislang nur aktivierte Substrate und noch keine ungesättigten Kohlenwasserstoffe umgesetzt, aber wir sind der ,Traumreaktion‘ deutlich nähergekommen“, sagt Breher. „Wir erwarten, dass unser erstmals erbrachter Grundsatzbeweis weitere Arbeiten zur Nutzung von N–H-aktiviertem Ammoniak als leicht verfügbare und nachhaltige Stickstoffquelle anstoßen wird.“ (or)

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 300 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.kit.edu/kit/pi_2023_078_neue-ammoniakreaktion-konnte-nachhaltige-stickstoffquelle-ermoglichen.php

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (09/2023)


Publikation:
Felix Krämer, Jan Paradies, Israel Fernández & Frank Breher: A crystalline aluminium–carbon-based ambiphile capable of activation and catalytic transfer of ammonia in non-aqueous media. Nature Chemistry, 2023. DOI: 10.1038/s41557-023-01340-9
https://www.nature.com/articles/s41557-023-01340-9

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